RAUM6
AUSSTELLUNGSANSICHT
2020
LFA Kunstkalender
Kalenderblatt Oktober_Julia Dietrich "Säulenfragment, aufgehängt", 2020
"Bei dem Stück Stein, dem Form und Anwendung zugeschreiben werden,
handelte es sich um das tragenden Bauelement einer Säule. Mithilfe der Nylonschnur habe ich eine
selbstbewusste, wie fragile Anordnung entwickelt, die die Subjekt-Objekt Beziehung zur Diskussion stellen möchte.
In der Installation arbeite ich gegen die Eigenschaften an, die wir den Materialien zuschreiben.
Ich möchte einen Raum ermöglichen, in dem das Stück Stein sich seine Eigenständigkeit verschafft"
Zitat Julia Dietrich
Unter Bildhauerei verstehen wir zumeist einen Vorgang, bei welchem aus einer unbearbeiteten rohen Masse eine Form geschaffen wird.
Julia Dietrich geht einen anderen Weg in iherer Beschäftigung mit dem Material. Sie interessiert sich für Dinge,
ohne ihnen eine neue Form aufzwingen zu wollen. Sie verwandelt diese durch gezielte Eingriffe, welche die Eigenschaft dieser
gefundenen Objekte aufnehmen, verwandeln oder unterstreichen, ohne sie dabei in ihrer Gestalt zu verändern.
In unserem Fall handelt es sich um ein Werkstück aus Granit. Massiv und schwer zeigt es Abbruchkanten, Schnitte und Löcher,
die auf einen früheren handwerklichen Arbeitsprozess hinweisen. Im Laufe dieses Entstehungsprozesses wurde das Werkstütck, das als Bauteil
einer Säule geplant war, anscheinend verworfen. Es bleibt rätselhaft, wann und wofür der Granitblock bearbeitet und wann er an der
Kunstakademie liegengelassen wurde.
Er war einfach da.
In den Augen und Händen von Julia Dietrich darf dieses Rätsel bleiben.
Sie nimmt das Eindeutige auf: Die schwere Masse, deren Form zwischen Spuren der Bearbeitung
und der Fertigstellung in einem Zwischenbereich stehen geblieben ist, wurde durch das Einbinden in einen neuen Kontext verändert.
Die spontane Idee kombinierte das Säulenfragment, welches in seiner Massivität und Schwere vielleicht eine Last zu tragen hätte,
mit der fast immatriellen Leichtigkeit von Nylonschnüren.
Die Schnüre mit der hohen Zugfestigkeit halten den Stein in der Schwebe, sodass er nur auf einer schmalen Kante am Boden aufsitzt,
wo seine Masse getragen wird. Die dezenten Linien dieser filigranen Aufhängung zeichnen sich in den umgebenden Raum und
kontrastieren zum Volumen der schweren Masse.
Mit dieser Inszenierung eines gefundenen Objekts erweitert Julia Dietrich den klassischen Prozess der Bildhauerei.
Sie schafft eine neue sinnliche, ungewöhnliche Erfahrung des Materials,
das seine Form und sein Rätsel behalten darf.
Text Jochen Meister
Skulptur © Julia Dietrich
Photo © Diogo da Cruz
LfA Kunstkalender 2022
RAUM6
AUSSTELLUNGSANSICHT
2020
LFA Kunstkalender
Kalenderblatt Oktober_Julia Dietrich "Säulenfragment, aufgehängt", 2020
"Bei dem Stück Stein, dem Form und Anwendung zugeschreiben werden,
handelte es sich um das tragenden Bauelement einer Säule. Mithilfe der Nylonschnur habe ich eine
selbstbewusste, wie fragile Anordnung entwickelt, die die Subjekt-Objekt Beziehung zur Diskussion stellen möchte.
In der Installation arbeite ich gegen die Eigenschaften an, die wir den Materialien zuschreiben.
Ich möchte einen Raum ermöglichen, in dem das Stück Stein sich seine Eigenständigkeit verschafft"
Zitat Julia Dietrich
Unter Bildhauerei verstehen wir zumeist einen Vorgang, bei welchem aus einer unbearbeiteten rohen Masse eine Form geschaffen wird.
Julia Dietrich geht einen anderen Weg in iherer Beschäftigung mit dem Material. Sie interessiert sich für Dinge,
ohne ihnen eine neue Form aufzwingen zu wollen. Sie verwandelt diese durch gezielte Eingriffe, welche die Eigenschaft dieser
gefundenen Objekte aufnehmen, verwandeln oder unterstreichen, ohne sie dabei in ihrer Gestalt zu verändern.
In unserem Fall handelt es sich um ein Werkstück aus Granit. Massiv und schwer zeigt es Abbruchkanten, Schnitte und Löcher,
die auf einen früheren handwerklichen Arbeitsprozess hinweisen. Im Laufe dieses Entstehungsprozesses wurde das Werkstütck, das als Bauteil
einer Säule geplant war, anscheinend verworfen. Es bleibt rätselhaft, wann und wofür der Granitblock bearbeitet und wann er an der
Kunstakademie liegengelassen wurde.
Er war einfach da.
In den Augen und Händen von Julia Dietrich darf dieses Rätsel bleiben.
Sie nimmt das Eindeutige auf: Die schwere Masse, deren Form zwischen Spuren der Bearbeitung
und der Fertigstellung in einem Zwischenbereich stehen geblieben ist, wurde durch das Einbinden in einen neuen Kontext verändert.
Die spontane Idee kombinierte das Säulenfragment, welches in seiner Massivität und Schwere vielleicht eine Last zu tragen hätte,
mit der fast immatriellen Leichtigkeit von Nylonschnüren.
Die Schnüre mit der hohen Zugfestigkeit halten den Stein in der Schwebe, sodass er nur auf einer schmalen Kante am Boden aufsitzt,
wo seine Masse getragen wird. Die dezenten Linien dieser filigranen Aufhängung zeichnen sich in den umgebenden Raum und
kontrastieren zum Volumen der schweren Masse.
Mit dieser Inszenierung eines gefundenen Objekts erweitert Julia Dietrich den klassischen Prozess der Bildhauerei.
Sie schafft eine neue sinnliche, ungewöhnliche Erfahrung des Materials,
das seine Form und sein Rätsel behalten darf.
Text Jochen Meister
Skulptur © Julia Dietrich
Photo © Diogo da Cruz
LfA Kunstkalender 2022